Stammzellengewinnung aus Nabelschnurblut

Nabelschnurblut-Transplantationen gewinnen wegen der optimalen Verfügbarkeit und besseren Verträglichkeit (bei Eigenspende sind identische Merkmale auf der Zelloberfläche) immer mehr an Bedeutung. In den USA sind schon 20 Prozent, in Japan sogar 50 Prozent der Stammzelltransplantationen aus Nabelschnurblut. In Deutschland wird meist die allogene Transplantation durchgeführt (das Spendematerial stammt nicht vom Empfänger), Eigenspenden bilden bei uns noch die Ausnahme.
Das kindliche Nabelschnurblut befindet sich nach zeitgerechter Abnabelung des Kindes in der Nabelschnur und Plazenta. Daher kann es dort risikoarm und völlig schmerzlos gewonnen werden. Eine Entnahme direkt nach der Geburt hat den Vorteil, dass die Stammzellen noch jung sind und sich optimal teilen und differenzieren können. Das Risiko bereits stattgefundener Mutationen ist gering.

Auch ist das Blut noch wenig mit Umwelteinflüssen, Schadstoffen, Viren oder ähnlichem belastet worden. Leider ist die Zelldichte im Nabelschnurblut nicht sehr hoch, so dass der Vorrat begrenzt ist. Auch sind angeborene Gendefekte bereits im Nabelschnurblut vorhanden. Liegen Erkrankungen mit genetischem Hintergrund vor (z.B. bestimmte Leukämien), muss dies bei einer möglichen Stammzell-Transplantation berücksichtigt werden.
Das Spendematerial wird schließlich eingefroren (Kryokonservierung) und ist bei Bedarf sofort verfügbar. Die Konservierung ist ohne Verlust der regenerativen Fähigkeiten für mindestens 15 Jahre möglich, vermutlich sogar deutlich länger bis unbegrenzt.
Die Lagerung kann entweder privat erfolgen (das Blut gehört dem Kind, kosten werden von den Eltern getragen), öffentlich gespendet werden (das Blut gehört der Bank, welche dafür die Kosten übernimmt. Werden Stammzellen benötig, sind diese nicht zwingend vorhanden) oder teil-privat gelagert werden (das Blut gehört dem Kind, kann aber auch anderen Bedürftigen gegeben werden. Kosten werden geteilt. Bedenken muss man hier die nur begrenzte Menge an Nabelschnurblut pro Spende).
Eine Sonderform bildet die so genannte gerichtete Spende. Das Material wird direkt für ein erkranktes Familienmitglied eingesetzt, die Spende ist kostenfrei. Bereits gesicherte Einsatzgebiete sind verschieden Tumore bei Kindern, z.B. das Neuro- oder das Retinoblastom. Laut einigen Veröffentlichungen sind auch bereits Diabetes mellitus Typ I, aplastische Anämien (Bildungsstörung im Knochenmark) und frühkindlichen Hirnschäden (z.B. zerebraler Lähmung) erfolgreich therapiert worden. Bei Blut- und Immunsystemerkrankungen (z.B. SCID, Thalassämie, Sichelzellanämie), Leukämien (Blutkrebs), Lymphomen (Lymphknotenkrebs) oder anderen genetischen Erkrankungen und Syndromen werden Fremdspenden bevorzugt.
In groß angelegten klinischen Studien werden Nabelschnurblut-Transplantationen mit Erfolg bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. stattgehabten Herzinfarkt), angeborene Herzklappenfehler (es konnten bereits mitwachsende Herzklappen gezüchtet werden), Harninkontinenz (Blasenschwäche), Nervenschäden (z.B. Querschnittslähmung), Tumoren (z.B. Brust-, Knochen- und Nierenkrebs) und großen Wunden eingesetzt.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Krankheiten zu den Standardindikationen zählen.
Geforscht wird, ob ein Einsatz bei Gehirnerkrankung (Parkinson, Chorea Huntington, stattgehabter Schlaganfall), chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa) und vielen anderen Leiden möglich ist. Im Labor konnte bereits gezeigt werden, dass eine Bildung von Nerven-, Leber-, Blutgefäß-, Muskel-, Knochen-, Knorpel- und Inselzellen machbar ist, so gibt es eine realistische Möglichkeit, dass irgendwann in naher Zukunft ganze Gewebe und Organe ersetzt werden können.





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